Ein Brachvogel (Numenius) im Landschaftsschutzgebiet Gellenbach Gertrudensee.
(Prof. Werner Mathys)
Von Michael Hagel, gedruckt in den Westfälischen Nachrichten (WN)
KREIS STEINFURT, Der Windkraft-Ausbau, oder besser: dessen Genehmigungspraxis, bleibt im Kreis Steinfurt hochgradig umstritten: Nachdem zuletzt die Windkraftplanungen — vor allem im Raum Greven - vom Kreis positive Vorbescheide noch vor dem Inkrafttreten des neuen Regionalplans erhalten haben (wir berichteten), haben sich jetzt der Nabu-Kreis und Landesverband, die BUND-Kreis- und Landesgruppe, die Biologische Station Rieselfelder Münster sowie etliche Privatpersonen zu einer juristischen Überprüfung der erteilten Bescheide im Rahmen einer Verbandsklage entschlossen. Dabei geht es zunächst um den Bescheid für Greven-Ost, Die Klage wurde dem Oberverwaltungsgericht Münster jetzt vorgelegt und soll laut Gisbert Lütke vom Nabu-Kreisverband durchaus Signalcharakter entfalten, „Hier wird etwas geplant, was mit dem ehedem gemeinsam Vereinbarten nicht mehr zu vereinbaren ist“, sagt Lütke, Er meint. damit die seinerzeit unter Beteiligung des Naturschutzes entwickelten Leitlinien für den Bürgerwind. „Wir erhoffen uns, dass die Vorbescheide wieder aufgehoben werden müssen.”
Lütke und Maria Koch vom BUND-Kreisverband sprechen von einem „wenig rühmliche Vorgehen der Genehmigungsbehörde“, also des Kreis-Umweltamtes. Die Naturschützer glauben, dass die Vorbescheide rechtlich zu beanstanden seien, weil sie den um Ostern in Kraft tretenden neuen Regionalplan kurzfristig unterlaufen würden. Wenn aber der Vorbescheid für Greven-Ost aufgehoben werde, würden andere Vorbescheide folgen.
Was Greven so besonders macht: Hier soll ein Windpark in relativer Nähe des Naturschutzgebiets Gertrudensee / Brüskenheide errichtet werden. „Das ist ein bedeutsames Nahrungshabitat für Zugvögel aus den nahen Rieselfeldern. Die Windräder hätten dort eine hohe Barrierewirkung und würden das gesamte Vogelschutzgebiet
massiv gefährden”, so Lütke. Der Kreis Warendorf habe übrigens im Gegensatz zum Kreis Steinfurt hier keinen positiven Vorbescheid erteilt.
Die Brüskenheide gilt als idyllisches Fleckchen Erde im Grenzbereich der Kreise Steinfurt und Warendorf sowie der Stadt Münster, Der Gertrudensee auf Grevener Gebiet, die Brüskenheide mit ihren alten Sandwegen und Wallhecken auf Telgter Gebiet, die Große Bree und die nahen Rieselfelder auf Münsteraner Gebiet ergeben gemeinsam einen der artenreichsten, kaum flurbereinigten Naturräume weit und breit. „Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass Windkraft hier nicht geht“, sagt Maria Koch. Das habe man schon 2016 bei Planungsbeginn gesagt. Es gab auch mehrere Protestaktionen vor Ort. Für Greven-Ost habe die Bezirksregierung die Planungen seinerzeit abgelehnt, so Koch, „und dennoch wurde dort einfach weitergeplant”,
Lütke wie Koch sagen beide, dass die Energiewende wichtig sei und dass sie keine Windkraftgegner aus Prinzip seien. Doch die rechtlichen Vorgaben zur Windkraft im Kreis Steinfurt seien längst übererfüllt. Es gebe hier einfach keine aus der Sicht des Naturschutzes unbedenklichen Flächen mehr.
Was die gemeinhin als hoch bezeichnete Akzeptanz der Bürgerwindparks betrifft, kontert Gisbert Lütke: ‚Viele Anwohner laufen doch. gerade Sturm. Und wir hatten überhaupt keine Mühe, die voraussichtlich benötigten 25000 bis 28000 Euro an Prozesskosten aus Spenden zusammenzubekommen.“ Und wenn Anwohner mit Beteiligungen gelockt würden, sei das „eine Art von Korrumpierung“, so Lütke.
Vorbescheide bedeuten übrigens noch keine Genehmigung, aber eine Möglichkeit, weiter zu planen. Lütke und Koch sprechen von einer „Privilegierung“ der Vorhaben - und wollen das juristisch stoppen. Koch: „Wir hoffen, dass es etwa im Herbst 2025 einen Gerichtsentscheid geben wird.“ Sollte man da unterliegen, werde man vermutlich auch letztinstanzlich Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.
Von den Grünen, ehedem ein Bündnispartner beim Naturschutz, fühlen sich Gisbert Lütke und Maria Koch verraten. Lütke bitter: „Wir haben in dieser Sache seit Habecks Osterpaket 2022 keine politischen Verbündeten mehr!“